Von nächtlichen Talkshows und kleinen Panikbiestern
Nachts ist mein Kopf ein Büro mit Dauerbeleuchtung. Kein Mensch mehr da, aber die Kaffeemaschine blinkt noch, und irgendwo tropft ein Wasserhahn. Die Gedankenmonster machen Überstunden.
Sie heißen Was-wäre-wenn, Hab-ich-vergessen und Ich-müsste-mal-wieder.
Ich hab sie nicht bestellt – sie bringen sich selbst mit.
Neulich las ich im Blog bei „Fuck the Falten“:
„Älterwerden heißt, die Monster ziehen vom Schrank in den Kopf.“
Ich musste laut lachen. So ein Lachen, das erst schwappt – und dann stehen bleibt. Weil es stimmt. Weil es weh tut. Und weil beides manchmal dasselbe ist.
Früher fürchtete ich mich vor Schatten unter’m Bett – heute diskutiere ich im Halbschlaf mit der Rentenversicherung über Versorgungslücken. Das nennt man wohl Entwicklung.
Die kleinen nächtlichen To-Do-Monster beschwichtige ich mit tiefem Atmen und der Vorstellung von etwas Schönem. Meistens Essen. Zimtschnecken mit zu viel Zuckerguss. Oder Pasta mit dieser unschuldigen Butter.
Die mittelgroßen beruhige ich mit einem Hörbuch – Betäubung light. Bevorzugt Psychothriller, in denen das Chaos größer ist als meins. – Verglichen mit deren Problemen wirken meine wie entlaufene Meerschweinchen.
Und bei den XXL-Panik-Biestern hilft nur Aufstehen, Körper abklopfen, Kopfhörer rein, Meditation an.
Was dann passiert, weiß ich oft selbst nicht so genau. Nur, dass es leiser wird.

Wissenschaftlich betrachtet ist das alles völlig normal.
Der Schlaf wird dünnhäutiger, die Hormone leiser – das Denken dafür lauter. Früher hüllte uns die Nacht wie ein Daunennest ein. Heute ist der Schlaf eher ein Laken aus der IKEA-Auslage. Und sobald ein Gedanke durchzieht, friert man.
Auch nach den Wechseljahren. Die Hormone schweigen – aber der Kopf veranstaltet eine nächtliche Talkshow.
Ohne Gäste. Ohne Skript. Ohne Abmoderation.
Ich weiß gar nicht genau, in welcher Phase ich bin. Mein Körper wird hormonell auf 48 kalibriert – mein Gehirn weiß aber ziemlich genau, dass es 56 ist.
Und die Monster?
Die kommen trotzdem. Offenbar lesen sie keine Beipackzettel.
Neulich sagte meine Frauenärztin, die kein Blatt vor den Mund nimmt:
„Es wird weniger. Aber es hört nicht auf.“
Inzwischen liebe ich sie für ihre Direktheit. Das musste aber wachsen.
Kein falscher Trost, kein Weichspülen. Eine Aussage wie ein guter Espresso – kurz, stark, und man weiß danach, wo man steht.
Vielleicht sind die Biester nicht da, um mich zu warnen. Vielleicht wollen sie mich einfach nur wachhalten. Weil es sie stärkt, wenn ich schwach bin.
Ich habe aufgehört, in ihnen etwas Sinnvolles zu suchen. Ich höre sie, aber ich glaube ihnen nicht mehr alles.
Ich, 3:07 Uhr. Ein leises Einverstandensein mit dem Unruhezustand. Die Monster trinken Tee, ich moderiere.



