Espresso für den Alltag

Wann hören wir Frauen eigentlich auf, uns große Ziele zu setzen? Vielleicht erinnerst du dich noch an den Moment, als du zum ersten Mal bei Starbucks gesiezt wurdest. Oder als man dir in der Parfümerie diese Pröbchen für Cremes „gegen reife Haut“ in die Hand drückte und dabei verschwörerisch zuzwinkerte. Das ist ein bisschen so, als würde dir der Status „cool“ entzogen – ohne Vorwarnung, versteht sich. Willkommen in der Welt der Anti-Aging-Angebote und Gespräche über Augenlidstraffung. Sind das die Momente, in denen wir aufhören, uns neue Ziele zu setzen? Weil wir denken, dass es ohnehin zu spät ist?

Oder liegt es vielleicht daran, dass wir im Alter immer mehr zu unseren härtesten Kritikern werden. Kennst du, oder? Diese innere Stimme, die sich benimmt wie ein unangenehmer Mitbewohner: zahlt nie Miete, meckert aber ständig rum. „Was, wenn du dich blamierst? Was, wenn du scheiterst? Was, wenn die anderen über dich lachen?“ Ach, halt doch die Klappe!

Mein großer Traum war es, Romane zu schreiben. Geschichten, die Menschen berühren, sie zum Lachen bringen oder sie (möglichst stilvoll) das Fürchten lehren. Immer wieder habe ich angefangen zu schreiben – und ebenso häufig wieder aufgehört. Warum? Weil ich dachte, ich hätte noch ewig Zeit. Sobald das Leben mit etwas vermeintlich Wichtigerem um die Ecke kam, verschob ich bereitwillig meine Prioritäten. (Vielleicht war da auch ein rosa Panther beteiligt, der an einer Uhr gedreht hat.) Und als es dann endlich bei mir klick gemacht hat, war klar: Zeit ist kein unerschöpfliches Gut. Jetzt oder nie!

Heute bin ich Teil einer Schreibgruppe mit sechs kreativen Frauen. Frauen, die ich bei einem Schreibseminar kennengelernt habe – zu dem ich mich erst mal durchringen musste. Denn, da bin ich ehrlich: Meine Texte anderen Menschen vorzulesen, fühlt sich an, als würde ich mich im grellen Neonlicht ausziehen – und hoffen, dass niemand laut loslacht. Aber – und das lernte ich schnell: der Zauber liegt genau in den Momenten, die einen verletzlich machen – und gleichzeitig wachsen lassen. Dank meiner Schreibkolleginnen entstehen neue Texte. Mit ihnen diskutiere ich, esse Käsekuchen, trinke Tee und erfinde Killer, Spione und sprechende Eichhörnchen für meine Kurzgeschichten. Und ja, manchmal kracht es auch, wenn die Meinungen aufeinanderprallen – schließlich sind wir alle leidenschaftlich. Aber gerade das macht es spannend. Ohne ihre ehrlichen Feedbacks, ihren Humor und ihren unerschütterlichen Glauben daran, dass ich das hier kann, gäbe es diesen Blog vermutlich nicht.

Und genau das ist es: Gemeinsam geht vieles leichter. Manchmal braucht es Menschen, die dich inspirieren, dir Mut machen und dich liebevoll aus deiner Komfortzone stupsen. Vielleicht findest du deine Weggefährtinnen bei etwas ganz Neuem: einer Kampfsportart wie Boxen oder Tai Chi, beim Breakdance-Workshop oder vielleicht sogar auf dem Surfbrett. Oder vielleicht in einem DIY-Kurs, bei dem du lernst, alte Möbel mit ein bisschen Schleifpapier und viel Phantasie in echte Hingucker zu verwandeln. Und vielleicht sogar in deiner Nachbarschaft, wenn du die Frau mit dem wunderschönen Garten ansprichst – weil du selbst gern gärtnerst und jemanden suchst, der mit dir die coolsten Pflanzenmärkte der Region abcheckt. Oder den netten älteren Herrn mit dem knuffigen Labrador, der nur noch kurze Runden schafft – während du gerne spazieren gehst und Hunde liebst, aber selbst keinen halten kannst.

Ich weiß, wie viel Angst in solchen Momenten steckt. Glaub mir, ich bin da keine Ausnahme. Diese Stimme im Kopf, die einem zuflüstert: „Was, wenn du dich komplett zum Horst machst?“ – die kenne ich. Und zwar gut. Ich stehe jeden Tag selbst mit dieser Nervensäge von Angst im Ring. Mal gewinnt sie, mal ich. Aber inzwischen weiß ich: Angst ist wie ein Scheinriese – je näher du ihr kommst, desto kleiner wird sie.

Mein Tipp? Fang klein an. Schritt für Schritt. Lass das neue Ziel langsam in deinem Kopf Form annehmen, bis du es ganz klar sehen kannst – und die Angst irgendwann nur noch leise mault. Denn genau dann wird’s spannend. Oder hol deine alten Träume raus, klopft den Staub ab und frag dich: Warum eigentlich nicht?

Und mal ehrlich – fühlt sich das nicht direkt nach Champagner zum Frühstück an? Und wer sagt schon Nein zu Champagner? Eben.

Mari Fährmann
Bloggerin / Autorin
Mari Fährmann schreibt über das Leben nach 50 – diesen merkwürdigen Ort zwischen Sichtbarkeit und Seniorenrabatt. Sie glaubt an Haltung, Humor und daran, dass ein Blog mehr bewegen kann als ein Yoga-Retreat bei Vollmond.
Teile diesen Artikel
Empfohlene Artikel

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen